Ray spürte, wie sich ihre Schultern unbewusst anspannten, als Riley sie mit diesem überlegenen Blick musterte. Ja, ja, sie hatten es verbockt. Niemand musste ihr das noch unter die Nase reiben, aber offensichtlich konnte er es sich nicht verkneifen. Ihr Herz raste immer noch von dem Chaos, das sie hinter sich gelassen hatten, aber sie zwang sich, die Arme zu verschränken und ihm einen herausfordernden Blick zuzuwerfen. „Oh ok sorry that I tried to stay optimistic“, erwiderte sie trocken. Ihr Tonfall war süffisant, aber ihre Augen blitzten auf. Die ganze Situation war absolut beschissen, das wusste sie selbst. Aber Rileys überhebliche Art, sich jetzt hinzustellen, als hätte er alles perfekt durchgeplant, brachte sie auf die Palme. Aber dann nahm sie einen tiefen Atemzug und nickte. Sie hob eine Braue, bevor sie mit einem leichten Schulterzucken hinzufügte: „At least we still have the map“ Dass diese Karte ihnen aber nur weiteres Unheil versprach, war eine ganz andere Geschichte. Ihr Blick glitt über das vergilbte Pergament, das nichts Gutes verhieß. Na großartig. Was zur Hölle erwartete sie noch in diesen verdammten Ruinen? Wenn sie Pech hatten, war der Basilisk nur das Warm-up gewesen.

Und dann – ein Geräusch. Ray drehte ruckartig den Kopf in die Richtung, aus der es kam, und verengte die Augen. „Dan…?“ Ihre Stimme war ungläubig. Sie hatte doch gesehen, wie dieser Idiot im Maul der Schlange verschwunden war! Und doch, aus dem Schatten der Bäume, tauchte eine stämmige, graue Gestalt auf. Vollkommen mit Schleim überzogen, das Fell in verklebten Strähnen herabhängend. Der Geruch traf Ray wie ein Schlag, und sie verzog angewidert das Gesicht. „Oh. My. God.“ Dan stolperte nach vorne, seine Brust hob und senkte sich schwer, bevor er in seine menschliche Gestalt zurückschnellte – triefend, aber unversehrt. „What did I miss?! Where is Aura?“ keuchte er, noch immer völlig außer Atem.

Ray blinzelte. Ein Herzschlag verging, bevor sie abrupt losprustete. Es war ein raues, ungläubiges Lachen, halb aus Erleichterung, halb aus Erschöpfung, dass sie schnell wieder einfing, als sie die Fassung wiederfand. Bevor Riley sie noch als komplett insane abstempelte. Aber hey, wann ritt man schon mal auf einem Riesenwolf auf der Flucht vor einem Basilisken oder beobachtete seinen Teamkollegen dabei gefressen zu werden und dann doch wieder aufzutauchen. What a legend Sie brauchte einen Moment, um sich zu fassen, bevor sie mit einem verebbenden, schiefen Grinsen auf Dans Frage einging einging. „She betrayed us, and if you didn’t meet her inside the basilisks belly I’d say chances are she is dead…“ Dan schnaufte empört, aber bevor sie weiter darauf herumreiten konnten, fiel ihr Blick wieder auf die Karte. Die Ruinen warteten. Und wer wusste schon, was noch auf sie lauerte? „But since we made it through the forest, you can help find the ruins..“

Die Gruppe setzte sich in Bewegung, jeder Schritt über den moosbedeckten Boden hallte gespenstisch laut in der Stille. Die Äste über ihnen wirkten wie knorrige Finger, die sich ineinander verfingen, als wollten sie das Tageslicht aussperren. Je näher sie den Ruinen kamen, desto kühler wurde die Luft, als hätte jemand die Wärme aus diesem Teil der Welt herausgesaugt. Und dann sah sie es. Zwischen den verdrehten Baumstämmen ragten schwarze, zerfallene Mauern in den Himmel. Zeit und Natur hatten ihre Spuren hinterlassen – Ranken wucherten über die uralten Steine, Spalten durchzogen die Fundamente, als hätten die Ruinen selbst einst geschrien, bevor sie verstummten. Das Tor war eingerahmt von zwei gewaltigen Statuen, deren Gesichter verwittert waren, doch ihre dunklen Silhouetten flößten noch immer Ehrfurcht ein. „Well if that isn’t inviting?!“, murmelte Ray, während sich ein unruhiges Gefühl in ihrem Magen breit machte. Dan schnüffelte kurz und verzog das Gesicht. „Smells like old blood“

Es war vielleicht nicht ganz fair die Schuld auf die Rekruten abzuladen. Dennoch waren ihm ab einem bestimmten Maß die Hände gebunden und er musste darauf vertrauen, dass sie als Team funktionierten. Mehr als zu ermahnen die Fresse zu halten und auf ihren Weg zu achten, konnte er auch nicht tun. Andernfalls konnten sie Teams gleich wieder abschaffen und Einzelkämpfer ausbilden. Die reichten sicher für einige Missionen, aber eben nicht für alle Herausforderungen. Riley gab ein Brummen von sich, als sie den Versuch des Optimismus betonte. Klang irgendwie verstehend und so als ob er das Thema jetzt abschloss. Jedenfalls bis zur Nachbesprechung, sofern er die nicht alleine machen musste, weil auch der letzte seines Teams den Löffel abgab.
Dan erhöhte die Chance auf einen Gesprächspartner beim Abschlussgespräch wieder. Seine blauen Augen gingen wieder mit gehobener Braue zu Ray, die erneut seltsame Lachlaute von sich gab. Alter, die stand doch echt an der Grenze zum Wahnsinn, oder? Doch zu viel Banshee drin oder was?

“We’ll send a team to make sure she’s dead.“ Nachdem sie das hier erledigt hatte, konnte sich jemand anderes in dem Wald rumschlagen. Dafür würde er direkt die losschicken, die sich dieses Szenario ausgedacht hatten oder ihr okay dafür gegeben hatten! Dan pustete seine Nasenlöcher frei, wobei Rotz – teils eigener, teils Basilisk?! – auf den Boden klatschte. “Ey guys, my lung capacity is back at it’s best!“ Riley blinzelte. Erwartete er jetzt Beglückwünschung? “Good, but please don’t use it to talk. Focus on the last part.“ Damit sie endlich abschließen konnten und der Spuk vorbei war!

Die Ruinen gaben ihr Bestes um mit der Optik abzuschrecken. “Yeah, thanks Dan.“ Eine Information, die sie gerade nicht weiter brachte und bestimmt Rays Optimismus wieder Schaden zufügte. Riley musste ein paar Schritte von seinem stinkenden Rassevertreter zurücktreten, damit er seine Nase und Ohren gezielt einsetzen konnte. “I don’t think that there is anything alive in there.“ Die verrotteten Blumen und der vergammelte Rasen um die Ruine, kamen nicht um das Ambiente zu unterstreichen. Er ging in die Hocke und besah den Boden. Kleine weiße Kristalle waren überall auf der Erde verteilt. “Salt.“ Er erhob sich wieder und seufzte. “Ghosts.“ Die konnte man bekanntermaßen nicht schlagen, was er hasste! “On the map, the item is in the tower up there. Let's just be quick.“ Er zeigte auf den maroden Turm.

Ray ließ den Blick über die Ruinen schweifen, während sie sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte. Ihre Muskeln waren noch immer angespannt, bereit für den nächsten Angriff, obwohl die Luft totenstill war. Nur der Atem der drei Kämpfer war zu hören – und Dans wenig appetitlicher Nasenauswurf. Sie zog eine Augenbraue hoch. „Good to know that you’re back at full capacity, Dan,“ murmelte sie trocken, ihre Stimme ein wenig rau vom letzten Adrenalinschub. „Maybe use it to sniff out something useful instead of sharing bodily functions with us?“ Sein schiefes Grinsen verriet, dass er sich nicht angegriffen fühlte. Natürlich nicht. Dan war der Typ, der selbst bei der schlimmsten Scheiße einen lockeren Spruch auf den Lippen hatte – bis der Ernst der Lage ihn ins Gesicht schlug. Ray schüttelte leicht den Kopf, dann ließ sie sich in die Hocke fallen und betrachtete die kleinen, weißen Partikel, die Riley aufgespürt hatte. Salz. Natürlich.

„Ghosts,“ wiederholte sie und seufzte leise. Großartig. Übernatürliche Wesen, die man weder mit Krallen noch mit Klingen vernünftig loswerden konnte. Wer auch immer diesen Ort vorbereitet hatte, wollte sichergehen, dass sie sich hier nicht einfach durchprügelten. Sie richtete sich wieder auf und folgte Rileys Blick nach oben. Der Turm ragte bedrohlich über ihnen auf, der Stein verwittert, Ranken wie trockene Finger an den Wänden entlanggekrochen. Sie konnte nicht ausmachen, ob die Dunkelheit hinter den Fenstern einfach nur Schatten war oder ob dort etwas lauerte. „Let’s just be quick,“ wiederholte sie leise, dann sah sie zu Riley. Ein knappes Nicken – das war die Antwort, die sie hören wollte. Kein Zögern, kein unnötiges Herumgerede. Sie warf Dan einen kurzen Blick zu. Der grinste bereits, als hätte er sich genau das gewünscht.
„Finally. Thought we’d talk ourselves to death before anything even tried to kill us.“ Ray schnaubte leise, dann setzten sie sich in Bewegung. Der Eingang zum Turm war durch die Ruinen versperrt, aber sie konnten eine halb eingestürzte Wand nutzen, um schneller ins Innere zu gelangen. Der Moment, in dem sie die Grenze überschritten, war wie ein Schalter, der umgelegt wurde. Ein eisiger Windstoß fegte durch die Trümmer, und die Luft wurde plötzlich dick wie kalter Nebel. Das Salz am Boden begann zu knistern, als eine geisterhafte Präsenz sich manifestierte. Schattenhafte Figuren schälten sich aus dem Nichts, ihr Flüstern hallte durch die Nacht. „Shit,“ zischte Ray und riss sofort ihre Klingen aus den Halterungen. Dan wich einem geisterhaften Arm aus, der nach ihm griff, sein Körper drehte sich instinktiv in einer geschmeidigen Bewegung zur Seite. Er knurrte tief, seine Wolfsgestalt schimmerte knapp unter der Oberfläche, aber es brachte nichts, wenn er sich nicht auf sie stürzen konnte. „Weapons won’t work! Find the source!“ rief sie über den Lärm hinweg. Ray wirbelte herum, ihre Augen hastig die Umgebung absuchend. Der Turm – die Geister mussten von irgendwoher kommen. Etwas hielt sie hier. „There!“ Ihr Finger deutete auf eine verzierte Steinplatte am Boden, halb begraben unter Trümmern. Die magischen Symbole darauf leuchteten schwach, ein versiegelter Bannkreis. „Fucking fantastic,“ murmelte Dan, während er sich weiter duckte, um einer Attacke zu entgehen. „And what? We just rip it open?“ Ray presste die Lippen zusammen. Keine Zeit zum Diskutieren. „Cover me.“ Ohne weiter zu zögern, stürzte sie nach vorne. Kalter Schweiß rann ihr den Nacken hinab, als sie die Hand zur Steinplatte ausstreckte. Magie summte in ihren Fingerspitzen. Sollte sie als Teil Banshee nicht eine Verbindung zu den Toten haben?