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Geschrieben 09-08-2024, 10:59 PM by: Fips
Dass sie sein Besitz war, schloss eine gewisse Fürsorgepflicht nicht aus. Wenn man sich ein Haustier oder eine Pflanze anschaffte, mussten schließlich auch jene Dinge versorgt werden, sogar ein eigenes Haus oder die letzte, schäbige Waldhütte bedurfte dennoch einer gewissen Verwaltungspflicht. Und dass sie schwach war.. lag ebenso einfach in der Wahrheit der Dinge begründet, gerade gemessen an einem Dämonen oder Vampir. Es missbehagte ihm, sich auch nur vorzustellen, dass sie genau zwischen die Fronten zwischen sich und einer ganz bestimmten Person geraten könnte, die er, gemessen aus menschlicher Sicht, nun lang schon nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Aus Sicht eines Unsterblichen.. war es hingegen nicht mehr als ein Wimpernschlag. Es wäre gut, wenn sie, Fiona, sein kleines, süßes Geheimnis vor eben jenem Dämon wäre. Wie auch die Existenz dieses Dämons, vielmehr dieser Bekanntschaft, auch vor ihr. Sie war, jetzt gerade jedenfalls, zu kostbar, als dass ihr aus einem reinen Gefühl der befriedigenden Rache das Genick gebrochen würde. Zumal eben jener Dämon laut seines letzten Kenntnisstandes vielleicht aktuell nicht ganz so gut auf ihn zu sprechen wäre. Aus Gründen. Zack, knack, Und all die Mühe wäre umsonst gewesen. Pragmatisch gesehen wäre es also die bessere Wahl, sie lieber auch künftig nichts davon wissen zu lassen. Und das schloss seine Gefühle ganz bewusst noch nicht einmal mit ein. Ebenso pragmatisch, wie er nun auf ihre neue Überzeugungen antwortete:
„Wenn du sie nicht leer trinkst, versprechen sie dir das Blaue vom Himmel, um ihr Leben zu verschonen und rennen dir am Ende mit Mistgabeln und Fackeln in Scharen hinterher, um dich brennen zu sehen. Wie sagt denn nicht ein Sprichwort altklug, aber folgerichtig: nur wenn du aufisst, gibt es schönes Wetter?“ Zum ersten Mal war so etwas wie ein nur feines, eigentlich kaum auszumachendes Schmunzeln auf den blassen Lippen des Mannes mit den so bleichen, aristokratischen Zügen zu erkennen.
„Warum sollte es keine Menschen mehr geben?“ fügte er dann aber noch interessiert hinzu. Oder auch nicht wirklich, denn seine Meinung dazu stand ohnehin bereits längst fest:
„Sie sind wie Ratten in der Kanalisation. Hast du eine erlegt, kommen zwei neue nach.“
Ja, wer wusste schon, wie lange sie der Zivilisation den Rücken kehrten. Es wäre einfacher, ihr auszuweichen, wären sie im Großstadtdschungel anstatt hier, mitten im Wald fernab jeglicher Menschenseele. Es war nun nicht, dass er die Menschen per se vermisste. Doch sie vermittelten ein Gefühl der Sicherheit, wie es fester Boden in einem Pool wohl täte. Nun aber waren sie hinausgeschwommen auf das sinnbildliche offene Meer. Sicher würden sie irgendwann die nächste Küste erreichen, doch das Versprechen von Sicher- und Geborgenheit fehlte auf ihrem Wege, wie es das enervierende, beständige Surren und Summen, die Geräuschkulisse einer pulsierenden Stadt vermochte.
Die Junghexe war wie besprochen aufgebrochen, um sich nach Feuerholz umzusehen. Der Vampir errichtete in der Zwischenzeit das kleine Nachtlager, das recht anspruchslos aus zwei langen Stangen bestand, die durch ein nicht wasserfestes Gewebe gezogen wurden, umhüllt von einer zweiten Plane, die eigentlich nichts weiter tat, außer eben wasserfest zu sein. Inmitten des Inneren hatte er ein kleines, weiches Päckchen geworfen, das ihren Schlafsack beinhaltete. Wie ebenso ein zweites, längliches, in das die Kompaktversion einer Yoga-Matte gerollt war. Charles konnte sich schwer vorstellen, dass sie wirklich so etwas wie zusätzlichen Komfort bot, doch sie schottete die von unten gern hinein kriechende Kälte zumindest so weit ab, dass es für ein menschliches Wesen wohl zu ertragen war, in der Natur zu nächtigen. Er hatte sie nie klagen gehört – dennoch hatte er sich bewusst für ein etwas fluffigeres Plätzchen nahe des Bauchlaufes entschieden, das frei von lästigen Unebenheiten, wie auch kleinen bis mittelgroßen Steinen oder Hölzern war.
Es dauerte nicht lange, ehe auch Fiona zurückkehrte. Sie war ganz in der Nähe geblieben, der Vampir konnte ihre Schritte auf dem federnden Grund hören, wie gelegentlich auch das Rascheln des Unterholzes oder ein sachtes Knacken von kleinerem Gehölz, das unter ihren Schritten nachgab. Schweigsam hatte er schließlich dabei zugesehen, wie sie ein Feuer entzündete. Ihre Magie war gerade in solchen Dingen ziemlich praktisch, er konnte sehen, warum sie es genoss und zuweilen vorzog, hier, in der Natur, abgeschieden von zu viel Leben und Gewusel zu leben und innerlich Ruhe und Frieden mit sich zu schließen. Sie wirkte hier auf seltsame Weise im Einklang mit der Einsamkeit.
„Was macht die Anwesenheit eines Dämons denn so attraktiv für dich?“ griff er, zu ihrer möglichen Überraschung, das Thema schließlich wieder auf. Es konnte ja wohl kaum ihr Sinn für ein ziemlich schräges Umweltbewusstsein sein, der sie zu solch haarsträubenden Schlüssen kommen ließ.
„Dämonen sind keine Haustiere. Sie halten bestenfalls dich als Haustier.“ Gut, so gesehen, lag der Unterschied zwischen einem Dämon, der sie möglicherweise als Haustier halten würde und einem Vampir, der insistierte, dass sie zu seinem unanfechtbaren Besitz gehörte, jetzt nicht unendliche Welten weit voneinander entfernt. Aber dennoch. Es bereitete ihm Unbehagen, dass sie überhaupt darüber nachgedacht hatte. Jemand wie Nikolaij würde so eine Junghexe zum Frühstück verspeisen – und das sogar wortwörtlich. Es war fraglich, dass sie es überlebte, wenn einem Fleisches hungrigen Dämon der Sinn danach stand, sie auszuweiden wie eine Weihnachtsgans oder ihre Haut abzuziehen wie die Klebefläche eines lang gesuchten Panini-Sammelbuchaufklebers. Charles starrte für dein einen oder anderen Augenblick, vielleicht sogar auch länger, gebannt in das Spiel der züngelnden Flammen, als zögen sie ihn magisch an. Er mochte das Element Feuer. Es war tödlich, doch ebenso hypnotisch. Es versprach Sicherheit und Wärme, doch es war fast zu leicht, sich dem Trugbild hinzugeben und dem Spiel der Flammen damit ein für alle Male zu erliegen.