Sein Blick wanderte über die Rekruten die am Anfang ihrer Ausbildung im Fort Moonfall standen. Diejenigen, die innerhalb der Jahre im Waisenhaus, für nützlich befunden wurden. Riley hatte einen Fuß in beiden Institutionen und somit Mitspracherecht bei der Auswahl der letzten Übergänge. Nur eben nicht das letzte Wort. Das hatte er wieder bitter feststellen müssen, als Leviathan Hayes auf der Liste zum Transfer stand. Der Halbdrache hatte viel Potenzial, aber in dessen Laufbahn immer wieder gezeigt, dass es an Disziplin fehlte. Riley hätte ihn im Waisenhaus mit anderen Aufgaben betraut und einen Wechsel erst später in Erwägung gezogen. Aber der Entschluss von Mother Justice stand.

Der Werwolf fühlte sich prompt bestätigt, nachdem er Levi nicht zwischen den anderen sah. Was dachte der Bursche sich? Dass es nicht auffallen würde? Sie hatten keine Massen an Rekruten, wo man den Überblick schnell verlor. Eine Schlägerei am Vortag und fehlende Anwesenheit. Er hätte schon Lust da nochmal in Diskussion mit Mother Justice zu gehen. Leider wusste er, dass er da nie als Sieger aus dem Gespräch ging und am Ende unter den strafenden Augen der Hexe einknickte. Auf seine Vorgesetzte geprägt zu sein, war echt kein Zuckerschlecken!

“You can begin, I'll take care of the missing recruit“, murrte er in Richtung des Ausbilders und ging auf direktem Wege zu Levis Unterkunft. Als Rekrut teilte er sich das Zimmer noch mit anderen, aber Riley hatte kein Problem damit seine Sachen ausfindig zu machen und sich ein getragenes Shirt als Geruchsprobe mitzunehmen. Allein, dass der Halbdrache ihn dazu trieb, war schon….ARGH!

Riley parkte den Wagen ab, warf das Shirt auf den Beifahrersitz und stieg aus. Die Geruchsspur führte ihn zum Meer, wo Levi einfach auf den Horizont raus sah und vor sich hin träumte, als sollte er gerade nicht woanders seinen Dienst verrichten. Der Werwolf blieb außer Sicht, bevor er die letzten Meter schnell hinter sich brachte und Levi einen ordentlichen Schubs gab, damit der vornerüber fiel. Er drückte dessen Gesicht nochmal extra in den Sand, damit er hoffentlich heute Abend noch Körnchen im Mund fand! “Have you perhaps forgotten something?!“, fragte er rein rhetorisch, womit er eine [u]gute[/i] Begründung einforderte, warum er nicht seinem Trainingsplan nachging.

Das Meer hatte gerufen und Levi war dem gefolgt. Vermutlich würde so manch einer in Fort Moonfall sich wünschen, er wäre auch da so hörig… Levi mochte das physische Training dort. Es war ein ganz anderes Level als im Orphanage. Nur die Besten kamen weiter. Was automatisch bedeutete, dass jeder Übungskampf interessanter für ihn wurde. Gerade auch, wenn er es mal mit den Jahrgängen über ihm zu tun bekam.
Was ihn dagegen nach wie vor nicht packte, war der Theorieunterricht. Wieso sich den Kopf darüber zerbrechen, was strategisch in einem hypothetisch konstruierten Fall die beste Wahl wäre, wenn er in der Situation doch sowieso schlicht impulsiv agieren würde?

Stattdessen hatte es ihn also in die Fluten geführt. Er war sich nicht sicher, ob es so etwas wie sea deprivation gab, aber… er litt definitiv darunter, wenn er dem Meer über einen gewissen Zeitraum fern blieb.
Erst als seine Lungen schlussendlich die Menschlichkeit seines Körpers meldeten, war er wieder aufgetaucht. Zurück trieb es ihn trotzdem noch nicht sofort. Stattdessen ließ er sich zufrieden erschöpft in den Sand fallen, den Blick aufs endlose Blau hinaus.
Bis er etwas anderes wahrnahm. Eine Nuance in der Luft. Die leiseste Verschiebung der Sandkörner. Really? Man hatte ihm ein Kindermädchen nachgeschickt?

Der Halbdrache reagierte nicht, blickte fast ein wenig stur weiter aufs Meer. Bis kam, was kommen musste. Auch wenn er zugegeben einen Unterschied merkte. Im Orphanage hätte man ihm zuerst einen Vortrag gehalten und nur bei weiterer Respektlosigkeit zu härteren Maßnahmen gegriffen. Die Zeiten schienen vorbei. Hier sprang man sofort zur Gewalt. Und auch wenn alles in Levi mit Wut darauf reagierte in den Sand gedrückt zu werden, frohlockte zugleich etwas in ihm. Weil er auf Druck mit Gegendruck reagieren konnte.

Sein Körper spannte sich an. Gerade genug, um das Gesicht heben zu können. Die Lippen auseinander zu kriegen, ohne dabei Sand zu schlucken... „I dunno, have I?“ Er drehte den Kopf leicht, erhaschte einen Blick auf Spencer. Einer der wenigen Ausbilder, die er noch von New Dawn kannte. „Maybe that some dogs like to swim? Should I‘ve asked you to come with me?“ Oh, er wusste ganz genau, worauf Spencer hinaus wollte.
Die Position war ungünstig. Trotzdem versuchte er probeweise die Armmuskulatur durchzudrücken. Noch hatte der Wolf da mehr entgegenzusetzen. Aber der Achtzehnjährige war optimistisch, dass sich das in den nächsten Jahren ändern würde. Er wuchs nicht länger in die Höhe. Jetzt war die Breite dran.
„Didn’t know you’d miss me that much. I mean, I leave all the smart comments to swot Adrian in theory class.“ Und da er mit reiner Gewalt nicht weiterkam, mussten die verbesserten Reflexe herhalten. Levi wand sich blitzschnell zur Seite weg. Auch wenn das bedeutete, dass ordentlichen Schmerz im Nacken riskierte.

Riley hielt dem Gegendruck stand. Irgendwann sollte man meinen, dass der Junge wusste wo sein Platz war, aber es gab bei dem Sturkopf einfach keine Fortschritte. Warum nutzte Mother Justice ihre Magie nicht einfach, um die aufmüpfigen Rekruten stumm zu machen? Es wäre alles so viel stressfreier, wenn er sich nicht ständig diese Sprüche geben lassen müsste! “Exactly, you should have asked, then we could have saved ourselves the trouble. I would have pinned you down in the meeting room.“ Dann wäre Levi gar nicht erst bis zum Meer gekommen und er hätte die Suche nicht antreten müssen.

Als der Halbdrache sich zur Seite rauswinden wollte, hatte er den Impuls nochmal nachzugreifen, womit er wohlmöglich größeren Schaden angerichtet hätte. Trainingsausfall oder im ungünstigsten Fall vielleicht auch eine Querschnittslähmung. Riley zog die Hand zurück und sah ihm angefressen entgegen. “Adrian is obviously much smarter than you.“ Der wusste wie man sein Überleben sicherte und nicht ständig in der Schwebe hing. Irgendwo zwischen nützlich und unzumutbar. Ihm Vernunft einzuprügeln hatte bisher keinen Erfolg gezeigt. “Quit your bullshit and get to the car!“ Er zeigt in die Richtung in der er geparkt hatte.